Von Johann StollRammingen Zuerst fällt diese himmlische Ruhe auf, neben der guten Luft hier im Wald bei Nassenbeuren. Keine aufheulende Motorsäge, kein Traktor, kein Vollernter mit Dieselabgasen. Dafür wohltuende Stille und reine Luft. Nur ein paar leise Kommandos dringen durch die Fichtenschonung herüber. Ein gelegentliches Klirren einer Kette und ein schleifendes Geräusch sind zu hören.
Hier wird körperlich schwer gearbeitet. Alfred Waltenberger rückt klassisch Holz - mit einem kräftigen Pferd. Sein 15-jähriger Sohn Martin hilft - auch er mit einem Kaltblüter.
Vormittags noch war Alfred Waltenberger im Mindelheimer Stadtwald im Einsatz. Seit einem Vierteljahrhundert tut er das schon. Jetzt hilft er einem privaten Waldbauern, Fichtenstämme möglichst umweltschonend auf den nächsten Forstweg zu bringen, von wo die Bäume dann ins Sägewerk abgefahren werden. Bis zu 1800 Festmeter Holz kommen im Jahr zusammen.
Natürlich könnte Waltenberger auch Maschinen einsetzen: schweres Gerät mit Seilwinden, um die Bäume aus den Wäldern zu holen. Seit dem verheerenden Sturm Wiebke Anfang der 90er Jahre ist es in der Forstwirtschaft tatsächlich üblich geworden, auf Technik zu setzen.
Alfred Waltenberger hält davon wenig. Nichts ist schonender für den Waldboden als das Rücken mit Pferden, sagt er. Sprit braucht er keinen, und langsamer geht es auch nicht mit den Pferden.
Und da ist noch etwas. Ein Pferd passt seiner Meinung nach viel besser in die Natur als all die Maschinen dieser Welt. Einmal machte einer seiner Kaltblüter keinen Schritt mehr vor und zurück. Waltenberger konnte sich das seltsame Verhalten zuerst nicht erklären. Dann sah er das Rehkitz, das direkt vor dem Pferd auf dem Waldboden lag. „Wäre ich mit einer Maschine unterwegs gewesen, wäre das Tier ums Leben gekommen“.
Alfred Waltenberger hat Hände, die zupacken können. In der Früh um fünf Uhr heißt es aufstehen, die gut 70 Rinder daheim auf dem Milchviehbetrieb in Rammingen füttern, die Kühe melken. Abends um halb acht ist Schluss, zumindest im Winter. Im Sommer kann es schon ein paar Stunden länger gehen. Landwirtschaft heißt auch auf dem Hof Waltenberger: die Arbeit geht nie aus.
Versorgt sein wollen auf dem Hof auch 15 Kaltblutpferde, die die Waltenbergers nebenbei halten und die so etwas wie die große Leidenschaft in der Familie sind. Ohne seine Tiere möchte sich der 49-Jährige sein Leben gar nicht vorstellen, und den fünf Kindern geht es nicht anders. Trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Landwirtschaft - für ihn gibt es kein schöneres Leben als auf dem eigenen Hof.
Im Winter zieht es Waltenberger hinaus in die Wälder. Je kälter, desto besser, sagt er. Zum Holzrücken ist gefrorener Boden ideal. Drei Hengste und eine Stute setzt Waltenberger im Wald ein. Er ist damit zwar noch nicht der Letzte seiner Zunft. Viele gibt es im Unterallgäu aber nicht mehr, die Pferde für die Waldarbeit einsetzen. Gerade noch ein Bauer aus Kammlach fällt Waltenberger ein.
15 Kaltblüter stehen daheim auf dem Hof. Waltenberger züchtet die Tiere selbst. Vor Brauereiwagen spannt er sie, vor Festwagen bei Umzügen und im Winter auch mal vor große Schlitten.
Wenn er im Wald junge kräftige Helfer braucht, nimmt er ein unerfahrenes Pferd mit und lässt es einfach sechs Wochen lang dabei sein. „Die schauen sich das dann von den anderen ab“, sagt Waltenberger. Auch hier: Keine Hektik, alles läuft auch so seinen Gang.
Heute hat Renzo Dienst, ein süddeutsches Kaltblut. Der Hengst ist im besten Alter, sieben Jahre alt und seit ein paar Jahren bei der Waldarbeit dabei. Nach einem Tag Arbeit darf er sich einen Tag lang ausruhen. Am liebsten würde er allerdings auf die Pause verzichten, so sehr zieht es ihn hinaus in die Natur, erzählt der Landwirt.
Zwischendurch, wenn Waltenberger merkt, eine Pause wäre jetzt für die Tiere gut, lässt er sie „gruaba“, wie er sagt, also ausruhen. Mittags gibt es Heu und Wasser. Mit der durchgetakteten Arbeitswelt des beginnenden 21. Jahrhunderts hat das alles nichts zu tun. Hier leben Mensch und Tier einen anderen Rhythmus, den der Vorfahren. Gearbeitet wird ohne jede Hast und ohne Uhr, bis die Sonne am Horizont verschwindet. Und wenn mal ein Spaziergänger mit seiner kleinen Tochter des Weges kommt wie an diesem Nachmittag, dann darf das Mädel auch mal kurz auf dem lammfrommen Renzo Platz nehmen.
Quelle: http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Lokales/Mindelheim/Lokalnachrichten/Artikel,-Im-Einklang-mit-der-Natur-_arid,2364606_regid,2_puid,2_pageid,4501.html
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