Montag, 10. Januar 2011

Die Motorsäge im Nebel


Wer ein rotes Kreuz trägt, der muss im Arboretum weichen


Während die Natur ruht, tut sich was im Arboretum. Der Winter ist für den Förster und seine Mitarbeiter die arbeitsreichste Zeit.
Von Michelle Spillner
Schwalbach/Sulzbach. Der Laie bekommt angesichts gefällter Bäume und frei geräumter Flächen erst einmal große Augen. Was stellenweise zunächst fast wie ein Kahlschlag wirken mag, sorgt dafür, dass wertvolle Bäume und Sträucher im Frühjahr in voller Größe erblühen können. Dafür ist es auch notwendig, dass die Forstarbeiter mit großer Behutsamkeit und eben nicht wie die sprichwörtliche «Axt im Walde» vorgehen. Wenn da ein Baum beim Fällen auf andere Gewächse drauf fällt, dann kann man leicht ein paar tausend Euro zerstören – ganz abgesehen vom ideellen Wert der bis zu 30 Jahre alten Pflanzen.

Fester Boden

Die Forstarbeiter nutzen ganz bewusst die kalte Jahreszeit, um Ordnung im Grün zu schaffen. Zum einen ruhen die Bäume. Zum anderen ist der Boden noch fest genug gefroren, so dass die Maschinen keine all zu tiefen Spuren im Gelände hinterlassen. Für die Arbeiter heißt das, sich in dickem Nebel über Schneeplacken hinweg zu arbeiten und mit kalten Fingern die Motorsäge zu führen.
Schon Anfang dieser Woche, wenn es wärmer wird, wird es schwierig weiterzumachen. So lange es geht, wird der Bestand bereinigt. Was nicht in die verschiedenen Waldgesellschaften gehört, muss verschwinden, damit keine Konkurrenzen zwischen den Pflanzen entstehen. Brombeersträucher haben im westlichen und östlichen Nordamerika in Asien Kleinaisen und Kaukasus nichts verloren. «Es gibt einheimische Gehölze, die wachsen auch so, da müssen Sie gar nichts machen. Und sie wachsen in Baumgesellschaften hinein, in die sie gar nicht hingehören», erklärt Förster Martin Westenberger. Die heimischen Gewächse sind in ihren Breitengraden deutlich im Vorteil und können die fremdartigen Bäume zurückdrängen. So muss eine Birke zwischen ausländischen Bäumen weichen, weil sie denen den Platz und das Wasser zum eigenen Gedeihen nimmt.

600 Arten

Die Förster haben Bäume, die entfernt werden müssen, mit roter Farbe markiert. Was nach der Fällung ein wenig wild aussieht, wird im Frühjahr verwachsen sein. Dann fällt der Blick wieder ungestört auf die ungewöhnlichen Arten, die es auf den 76 Hektar des Arboretums zu sehen gibt: 600 Baum- und Straucharten, die Dendrologen aus aller Welt nach Eschborn locken – unabhängig davon, dass die Spaziergängern, Jogger und Erholungssuchenden ein wunderbares Stück Natur bieten. Für manche Fällung werden im Frühjahr Ersatzpflanzungen durchgeführt, immer schön sortiert nach den für die jeweils dargestellte Region charakteristischen Arten.

Baum-Inventur

Mit ihren Arbeiten setzten die sieben Mitarbeiter nun zum Teil auch schon Arbeitsaufträge um, die sich aus der Inventarisierung des Arboretums ergeben haben. Mitarbeiter des Forstbotanischen Instituts Göttingen zählen bis zum Frühjahr alle Bäume und Gewächse, sichten sie und versehen sie mit kleinen Nummernschildchen und katalogisieren sie. Bei der Inventarisierung haben sich jetzt schon Überraschungen ergeben. So wurde im Arboretum zum Beispiel mit der Schirmtanne ein Baum wieder gefunden, der auf dem riesigen Gelände längst als verloren geglaubt war – ein Erfolg.

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